Vor ein paar Wochen haben wir uns ja bereits damit beschäftigt, wie man in Österreich Physiotherapeut oder Physiotherapeutin werden kann. Dabei haben wir uns angesehen, wie die Ausbildung in diesem Berufsfeld aufgebaut ist, welche Kosten für die Ausbildung anfallen und wie die Berufschancen von Physiotherapeut:innen auf dem Arbeitsmarkt sind. Jetzt widmen wir uns der Psychotherapie-Ausbildung.
Wie wird man eigentlich …?
Wir führen in diesem Beitrag also unsere Serie „Wie wird man in Österreich eigentlich …?“ weiter, denn wir von synaptos wollen euch zeigen, wie eure berufliche Laufbahn als Therapeut:in aussehen kann. Mit unserer jahrelangen Erfahrung haben wir das notwendige Know-how, um euch dabei zu helfen, euch als Therapeut:innen selbstständig zu machen.
synaptos begleitet euch von der Ausbildung über die Praxisgründung bis hin in den Praxisalltag, wo ihr mit unserer Software arbeiten könnt.
In diesem Beitrag geht es also um die Frage: „Wie wird man in Österreich eigentlich Psychotherapeut:in?“
Zweiteilige Psychotherapie-Ausbildung
In Österreich gibt es ein Gesetz, das die Ausbildung zum Psychotherapeuten/zur Psychotherapeutin regelt: das Psychotherapiegesetz (PthG). Dieses ist seit 1991 in Kraft und beschreibt, dass die Ausbildung aus zwei aufeinander aufbauenden Teilen besteht: dem Propädeutikum und dem Fachspezifikum.
Während das Propädeutikum eher allgemeine Inhalte vermittelt, geht es beim Fachspezifikum, wie der Name schon vermuten lässt, um speziellere Inhalte. Genauer handelt es sich um theoretisches und praktisches Wissen in einer gesetzlich anerkannten Psychotherapie-Methode.
Methoden & Zulassungskriterien
23 anerkannte psychotherapeutische Methoden
In Österreich gibt es derzeit 23 psychotherapeutische Methoden, die gesetzlich und wissenschaftlich anerkannt sind. Alle wurden vom Bundesministerium auf ihre wissenschaftliche Fundierung hin geprüft. Sie differenzieren sich lediglich darin, welches Verständnis von der Persönlichkeitsstruktur des Menschen und von der Entstehung psychischer Erkrankungen sie haben.
So gibt es in der Psychotherapie-Ausbildung vier psychotherapeutische Schulen bzw. Grundrichtungen, denen diese Methoden zugeordnet werden können.
- Verhaltenstherapeutische Orientierung
- Systemische Orientierung
- Humanistisch-existenzielle Orientierung
- Tiefenpsychologisch-psychodynamische Orientierung
Eine vollständige Liste aller Methoden aus den einzelnen Schulen findet sich hier.
Wer kann in Österreich Psychotherapeut:in werden?
In Österreich gibt es mehrere Möglichkeiten, um zu einer psychotherapeutischen Ausbildung bzw. zum Propädeutikum zugelassen zu werden.
Folgende Kriterien müssen dabei beachtet werden:
- Das 18. Lebensjahr muss jedenfalls vollendet sein
Bezüglich einer vorangegangenen Ausbildung gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Matura (inkl. Berufsmatura) ODER
- eine Studienberechtigungsprüfung ODER
- einen anerkannten, der Matura gleichwertigen Abschluss im Ausland ODER
- das Diplom des Krankenpflegefachdienstes ODER
- das Diplom des medizinisch-technischen Dienstes ODER
- eine Sondergenehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Generell steht die Psychotherapie-Ausbildung also (beinahe) allen offen, die 18 Jahre alt sind und Interesse an diesem beruflichen Feld haben. Ein entscheidender Faktor sind jedoch die Kosten der Ausbildung, auf die wir weiter unten noch eingehen werden.
Das Propädeutikum
Wie bereits erwähnt, bauen das Propädeutikum und das Fachspezifikum aufeinander auf, weshalb zuerst der allgemeinere Teil der Ausbildung am Programm steht.
Dieser Teil ist so allgemein gehalten, damit er alle, die sich für die Psychotherapie-Ausbildung interessieren, auf den gleichen Wissenstand bringen kann. Denn wie an den Zulassungskriterien ersichtlich ist, können die Interessenten an der psychotherapeutischen Ausbildung aus völlig unterschiedlich thematisch „vorbelasteten“ Bereichen kommen.
Aufbau und Dauer des Propädeutikums
Das Propädeutikum ist wie folgt aufgebaut und besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil:
765 Stunden Theorie & 550 Stunden Praxis
In der Theorie sind unter anderem Kurse zu folgenden Themen vorgesehen:
- Persönlichkeitstheorien
- Pharmakologie
- Ethik und Psychotherapie
- Problemgeschichte und Entwicklungen der psychotherapeutischen Schulen
- Psychiatrie, Psychopathologie und Psychosomatik
Die Praxisstunden umfassen ein Praktikum, Einzel- oder Gruppenselbsterfahrung und eine Praktikumssupervision. Je nach Ausbildungsträger (siehe weiter unten) dauert das Propädeutikum ungefähr zwei bis drei Jahre.
Das psychotherapeutische Fachspezifikum
Das Fachspezifikum stellt, wie schon erwähnt, den zweiten Teil der Psychotherapie-Ausbildung dar. Wichtig zu wissen, ist hier: Das psychotherapeutische Propädeutikum stellt keine Berufsausbildung dar! Der alleinige Abschluss des Propädeutikums berechtigt in Österreich nicht zum Arbeiten als Psychotherapeutin bzw. Psychotherapeut.
Dazu ist eben das Fachspezifikum, das sich auf eine psychotherapeutische Methode fokussiert, notwendig. Dieses wiederum verlangt die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen:
- Handlungsfähigkeit in allen Belangen im Hinblick auf die Berufsausübung
- Vollendung des 24. Lebensjahres
- Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikums
- Erwerb eines Quellberufs
Zu den Quellberufen zählen, unter anderem, folgende abgeschlossene Ausbildungen:
- Akademie für Sozialarbeit / Fachhochschule für Sozialarbeit
- Pädagogische Akademie
- Studium der Medizin
- Pädagogikstudium
- Philosophiestudium
- Psychologiestudium
- Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
- Ausbildung im diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegefachdienst oder gehobenen medizinisch-technischen Dienst
Eine vollständige Liste der Quellberufe findet sich hier.
Aufbau und Dauer des psychotherapeutischen Fachspezifikums
Das psychotherapeutische Fachspezifikum umfasst ebenfalls einen theoretischen und praktischen Teil. Ersterer dauert mindestens 300 Stunden, letzterer mindestens 1600 Stunden.
Abgeschlossen wird dieser Teil der Ausbildung dann mit der Bezeichnung „Psychotherapeut/Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision“. Sie ist aber wie am Titel deutlich wird, noch nicht das wirkliche Ende der Ausbildung zum Psychotherapeuten/zur Psychotherapeutin. Ab diesem Zeitpunkt kann jedoch selbstständig mit Klient:innen gearbeitet werden. Diese Tätigkeit zählt dann weiter zur Ausbildung und beläuft sich auf 600 Stunden.
Generell dauert das Absolvieren des Fachspezifikums je nach Ausbildungsstätte und gewählter Fachrichtung unterschiedlich lange, es sind aber mindestens drei Jahre einzuplanen. Das Fachspezifikum kann allerdings auch bis zu sechs Jahre dauern.
Ist die Psychotherapie-Ausbildung kostenlos?
Nein. Das Propädeutikum schlägt mit etwa 4.000 bis 8.000 Euro zu Buche. Hinzu kommen noch die Kosten für die Selbsterfahrung und Supervision im Rahmen der Praxisstunden, die je nach Honorar des Psychotherapeuten/der Psychotherapeutin natürlich variieren können.
Auch das Fachspezifikum ist nicht kostenlos. Im Gegenteil. Es fallen dafür zwischen 25.000 und 50.000 Euro an.
Dementsprechend sind bei der Psychotherapie-Ausbildung hohe Kosten einzuberechnen.
Wo kann die Psychotherapie-Ausbildung in Österreich absolviert werden?
Aktuell gibt es in Österreich 39, vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, anerkannte Ausbildungseinrichtungen für psychotherapeutische Propädeutika und Fachspezifika. Wobei nicht alle Standorte beide Teile der Psychotherapie-Ausbildung anbieten.
Eine Liste aller Ausbildungsstätten gibt es in der Datenbank „Ausbildungseinrichtungen für Theorie und Praxis“ des Bundesministeriums.
Kriterien für die Berufsberechtigung
Nach der jahrelangen kosten- und zeitintensiven Psychotherapie-Ausbildung gibt es folgende Kriterien, die zu erfüllen sind, um schließlich eine Berufsberechtigung als Psychotherapeut:in zu erlangen:
- Handlungsfähigkeit in allen Belangen im Hinblick auf die Berufsausübung
- erfolgreiche Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikums und des psychotherapeutischen Fachspezifikums
- Vollendung des 28. Lebensjahres
- Gesundheitliche Eignung
- Vertrauenswürdigkeit
- Deutschkenntnisse
- Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung
- Eintragung in die Berufsliste der Psychotherapie
Zusätzlich ist es verpflichtend, nach Erhalt der Berufsberechtigung im Rahmen der Berufsausübung die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ bzw. „Psychotherapeutin“ zu führen.
Berufschancen nach der Psychotherapie-Ausbildung
Psychotherapeut:innen können sowohl freiberuflich bzw. selbstständig arbeiten als auch in einer Gemeinschaftspraxis tätig sein. Auch in Krankenhäusern, Reha-Zentren oder bei psychosozialen Beratungsstellen sind Psychotherapeut:innen gefragt.
Noch mehr Informationen zur Psychotherapie-Ausbildung findet ihr hier.
Psychotherapie studieren in Österreich
In Österreich gibt es übrigens auch die Möglichkeit, Psychotherapie(wissenschaft) an einer Universität zu studieren. Dies ist an der Donau-Universität Krems (Studiengang „Psychotherapie“) und an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien (SFU) möglich.
Das Studium der Psychotherapiewissenschaft an der SFU ist die europaweit erste universitäre, theoretisch-wissenschaftlich und praxisorientierte Vorbereitung auf den Beruf der/des Psychotherapeut*in. Es handelt sich dabei um ein Universitätsstudium mit gleichzeitiger Berufsausbildung für die Psychotherapie. Damit werden auch alle Erfordernisse zur Eintragung in die Psychotherapeutenliste des BMG erfüllt.